Abend am Stromboli

1999

 

Die Anderen haben den Vulkan bestiegen, vorhin am Abend, als die Hitze allmählich nachließ. Ich blieb zurück wegen einer körperlichen Schwäche, die mich gestern nach einer Wanderung überfallen hatte, und schaute zu, wie die Nacht sich vom Meer her näherte. Nun ist es dunkel.

Da oben donnert das irdische Feuer in den Sternenhimmel, hier unten herrscht Maria und besänftigt den Wind, das Meer und den Zweifel. Die Wellen schlagen stetig flüsternd an den Strand, der ist schwarz wie das Meer und der Himmel auch. Ein Windlicht vor mir flackert im seltenen Hauch, und aufrecht sitz ich am Tisch, lauschend vor allem. Und höre, außer dem Gedankenbrausen im Kopf, Motoren auf dem dunklen Wasser, Menschen sind unterwegs, im Angesicht des roten Leuchtens dort oben und im Schatten des Ungeheuren. Die Blätter rascheln manchmal im sanften Wind, all die Geräusche untermalen nur eine tiefe Stille.

Fotoblitze flackern auf dem Gipfel regelmäßig dann, wenn sich das rote Leuchten erhebt und hell und laut und vielleicht gefährlich in den Himmel steigt. Irgendwo im Dunkeln, etwa einen Kilometer entfernt von hier, rollen dann glühende Lavabrocken einen steilen Hang hinunter ins Meer dorthin, wo die Zuschauer in den Booten sind. Danach wandern Glühwürmchen die Flanke des schwarzen Riesen herab, zitternde Funken von Taschenlampen, unversehrte Menschenleiber, und tauchen wieder ein in die Stille der Motoren, der stetigen Brandung, des Blätterrauschens.

Es gibt hier nicht viel zu sehen, hier unten am Fuße des Vulkans, in der Nacht; Windlicht, Glühwürmchen, ein rotes Leuchten. Und die regelmäßige Botschaft eines Leuchtturmes, der sich an sich selbst erinnert, manchmal die Funzeln vorbeiziehender Boote. Aber ich höre, höre genauer denn je und höre hin und hinein in einen Frieden, der ungeheuer ist. Er ist weißgott nicht tief und gottseidank auch. Ein tiefer Friede, sagt Maria, nimmt euch die letzte Kraft.

Ich höre hinein in einen Frieden, der ungeheuer ist, weil er Äußerstes enthält in unmittelbarer Nähe und Anschauung einer kaum vorstellbaren Kraft – und dennoch die Seele erfrischt und beruhigt: es lässt sich leben hier, am Rande des irdischen Feuers, auf dieser dünnen Kruste.

Da oben die Sterne, das rote Leuchten auf dem Gipfel, die Glühwürmchen unterwegs, hier unten Leuchtturm und verschiedene Funzeln: so setzt sich ein Bild aus Lichtern zusammen, das im Hinhören entstand. Tausende von Glühwürmchen sind von hier aufgebrochen nach oben, wo es so gefährlich brodelt, und heil zurückgekehrt. Trotzdem bin ich in diesem Frieden dankbar geworden für jedes Glühwürmchen, das unten ankommt.

 

<- zurück